Franz, wir nennen ihn einfach Franz. Warum? Ganz einfach. Bereits bei seinem ersten Arbeitgeber, was schon eine Ewigkeit her ist, pflegte ein Kollege zu ihm zu sagen: Fraunz, steck in Finga in Oarsch und taunz. Schon aus diesem Grund ist es unmöglich unseren Protagonisten Alexander zu nennen. Kein Mensch hätte je zu ihm gesagt: Alexander steck den Finger in den After und wander.
Franz war ein Durchschnittsmensch mit einem Durchschnittsleben. Verheiratet, eine Tochter, sattelfest und zufrieden im Beruf und das Privatleben demütig erduldend. Er war ein – das kann man durchaus behaupten – ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Regelmäßig ging er zur Wahl, akzeptierte die Ergebnisse und kritisierte die politischen Aktivitäten höchstens mittels kritischer Postings im Internet, die keine Sau interessierten und die wahrscheinlich maximal eine handvoll Gleichgesinnter las.
Seine Lebensgeschichte verlief eher beiläufig oder zufällig. Hätte er nie existiert, er wäre niemanden abgegangen. Ein Schicksal, das er mit vielen Menschen teilte. An seinem fünfzigsten Geburtstag wachte Franz auf. Er wusste, dass das finale Lebensdrittel begonnen hatte. Nun musste etwas geschehen. Zur Feier dieses denkwürdigen Tages schenkte sich Franz einen Weblog. Von nun an wollte er in seinem Blog all die politischen Missstände aufzeigen, die unbedingt an den Pranger gestellt werden mussten. Und das tat er auch.
Die Zeit verging, Franz schrieb sich die Finger wund und nichts, aber so was von nichts änderte oder besserte sich. Was hatte er sich auch vorgestellt, der alte Depp? Nur weil ein Niemand leise furzte, würde sich die Welt ändern? Na geh, so naiv kann doch kein Mensch sein. Franz war es.
Seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag wollte Franz gar nicht feiern. Er hatte schlechte Laune und überhaupt ging ihm so ziemlich alles am Arsch vorbei. Bei einem Spaziergang, der ihm am Praterstern vorbeiführte, sprach ihn ein Mann an, der offensichtlich ein Geschäft anbahnen wollte. Normalerweise wich Franz fremden Menschen aus.

Er verabscheute den Kontakt mit ihm Unbekannten. Er hatte schon Probleme die wenigen Freundschaften, die in seinem Leben existierten, zu pflegen. Als der Unbekannte allerdings sein Angebot machte, konnte Franz nicht widerstehen. In der Hand des Fremden ruhte eine Smith & Wesson. Klein und fein. Alle Kammern der Trommel waren mit Patronen geladen. Der Preis war eine Mezzie. So wechselte die Waffe ihren Besitzer.
Nun hatte Franz wieder Hoffnung. All seine wütenden Blogs über die korrupten, Menschen verachtenden Politiker würden nicht mehr im Internet verhallen. Franz machte sich ein Liste. Ursprünglich waren es Top Ten. Da aber die Revolvertrommel nur sechs Patronen fasste und er keine Ersatzmunition hatte, machte er die Top Six daraus. Von diesem Zeitpunkt an trug Franz den Revolver stets bei sich. Man konnte schließlich nicht wissen, wann sich eine Gelegenheit ergab.
Es war ein heißer Sommersamstag. Bereits um neun Uhr vormittags überschritt das Thermometer die magische dreißig Grad Grenze. Franz war unterwegs, seinen obligaten Spaziergang zu absolvieren. Franz war bereits mehr als eine Stunde unterwegs.

Die Sonne kannte kein Erbarmen und die Achillessehne seines rechten Beins schmerzte stark. Leise verfluchte er den kaputten Fuß. Es war nur wenig Schatten auf dem schmalen Kopfsteinpflaster Fußweg der Nordbahnstraße. Nur noch wenige Minuten, dann würde er den Praterstern erreichen und den Rest des Weges die Schnellbahn nehmen.
Ein Mann kam Franz auf dem schmalen Weg entgegen. Der Mann kam immer näher. Nur noch wenige Meter trennten die beiden Männer. Der Fremde hatte offensichtlich keine Lust auszuweichen. Wenn beide Männer einen Schritt zur Seite gehen würden, könnten sie passieren, ohne den Weg verlassen zu müssen. Dem war aber nicht so. Franz blieb demonstrativ stehen.

Sein Gegenüber tat es ihm gleich. „Und“, fragte Franz, „wollen sie nicht ausweichen?“ „Warum sollte ich“, antwortete der Gefragte. Franz fühlte plötzlich diese Ohnmacht, die er nur allzu gut kannte, wenn er Berichte über rotzfreche Aktionen von Politiker las, wie sie die Menschen belogen und betrogen.
Wortlos griff Franz in seine Umhängetasche. Als er die Hand aus der Tasche zog hielt er den Revolver fest im Griff. Der Knall überraschte ihn ebenso wie seinen Kontrahenten. Der Unterschied bestand einzig und allein darin, dass Franz nur den Rückstoß spürte. Sein Gegenüber sank langsam in sich zusammen. Franz steckte die Waffe wieder ein. „Na also, du dummes Arschloch, war das so schwer?“
Fünf Minuten später war Franz am Praterstern. Er bestieg ein Taxi. „Lichtenfelsgasse 7“, sagte er zum Fahrer. Im Autoradio war Jimmy Cliff zu hören.
Struggling man has got to move
Struggling man no time to lose
I'm a struggling man
And I've got to move on

franzjosefs



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René Sehringer - Journalist VDPJ - Rio de Janeiro
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